„Die Digitalisierung verliert ihre Schwere“ – 8 Fragen an Cornelius Preidel zu KI im Bauwesen

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Im Interview wirft Prof. Dr. Cornelius Preidel einen Blick auf die tiefgreifenden Veränderungen, die sich durch KI im Bauwesen ergeben, und deren Konsequenzen für Planer:innen und Fachdisziplinen.

Cornelius Preidel ist einer der führenden Experten für Digitalisierung im Bauwesen. Als Professor für Bauinformatik an der Hochschule München forscht und lehrt der Ingenieur zu Themen wie BIM, Künstlicher Intelligenz, Datenmodellierung, Digitalen Zwillingen und angewandter Informatik. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit ist er Vorstandsmitglied bei buildingSMART Deutschland sowie Vorsitzender des Steering Committee for Professional Certification von buildingSMART International. Im Interview wirft er einen Blick darauf, wie KI das Bauwesen nachhaltig verändert, und erklärt unter anderem, welche Fähigkeiten Planer:innen in Zukunft brauchen werden, was es für eine automatisierte Bauwerksmodellierung durch KI braucht und wie ein ideales KI-gestütztes Bauwesen aussehen könnte.

 

Professor Preidel, die Erfahrungen aus nunmehr rund 30 Jahren mit BIM zeigen klar, dass digitales beziehungsweise BIM-basiertes Planen zahlreiche Vorteile gegenüber traditioneller Planung hat. Sehr viele Architektur- und Ingenieurbüros nutzen daher inzwischen BIM, aber längst nicht alle. Mit der neuen Leistungsfähigkeit KI-gestützter Tools wird der Digitalisierungsdruck jedoch wesentlich größer. Werden die letzten „analogen“ Büros durch KI bald vollends verschwinden? Oder ermöglicht es KI in Zukunft paradoxerweise eventuell sogar, in der Basis wieder traditioneller zu arbeiten, weil die Maschine selbst den Digitalisierungsprozess (Modellierung etc.) übernimmt bzw. automatisiert?

Analoge Planungsbüros werden nicht über Nacht verschwinden – aber es wird für sie zusehends schwieriger werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu behaupten. Die gestiegene Leistungsfähigkeit digitaler Werkzeuge, insbesondere KI-basierter Systeme, verändert die Erwartungen grundlegend: Wer diese Technologien gezielt einsetzt, kann Varianten schneller entwickeln, komplexe Zusammenhänge effizient analysieren und fundierter entscheiden. Das erhöht Produktivität, Planungsqualität und auch die wirtschaftliche Attraktivität.

Gleichzeitig zeichnet sich tatsächlich eine paradoxe Entwicklung ab: Gerade weil digitale Routineaufgaben wie Modellierung, Mengenermittlung oder Regelprüfung automatisiert werden können, entsteht wieder mehr Raum für das, was viele mit der ursprünglichen planerischen Tätigkeit verbinden – gestalterische Reflexion, konzeptionelles Denken, kreative Variantenbildung. KI könnte damit nicht nur die technische Effizienz steigern, sondern auch helfen, den planerischen Kernberuf zu entlasten und neu zu fokussieren.

Deshalb ist es aus meiner Sicht auch nicht wirklich hilfreich, analoges und digitales Arbeiten als Gegensätze zu betrachten. Vielmehr verschieben sich die Rollenbilder – und mit ihnen auch die Erfolgskriterien. Früher war es eine Stärke, sauber zu zeichnen oder Termine manuell zu koordinieren. Heute ist es eine Stärke, Prozesse zu orchestrieren, Entscheidungen im Zusammenspiel mit digitalen Werkzeugen zu treffen und das Menschliche – also Kreativität, Kontextverständnis und Verantwortung – produktiv mit Technologie zu verbinden.

 

Bislang war BIM der Schlüssel, um Daten, die in BIM-Projekten entstehen, in vielen Anwendungsfällen zu nutzen. Wie erhöhen sich diese Potenziale nun in Kombination mit KI?

Wenn wir ehrlich sind, ist BIM längst nicht überall so selbstverständlich geworden, wie wir es uns vor 10 oder 15 Jahren erhofft hatten. Der Begriff selbst ist inzwischen zum Teil mit Vorbehalten belegt – er steht für ambitionierte Ziele, aber eben auch für komplexe Einführungsprojekte, hohe Erwartungshaltungen und nicht selten für Ernüchterung in der Praxis.

Aber wenn wir einmal abstrahieren, worum es bei BIM im Kern geht, dann ist es etwas sehr Einfaches – und zugleich sehr Zentrales: Es geht um strukturierte, digitale Informationen über Bauwerke und ihre Entstehung. Und ob wir das „BIM“ nennen oder anders – das Ziel bleibt dasselbe: Prozesse datenbasiert, konsistent und maschinenlesbar zu gestalten.

Diese strukturierte Datenbasis war und ist die Grundlage für jede ernst gemeinte Digitalisierung im Bauwesen. Und mit dem Einzug von KI wird sie zu einem regelrechten Potenzialverstärker: Denn KI kann auf Basis strukturierter Daten Muster erkennen, Prognosen erstellen, Varianten analysieren, Regelkonflikte identifizieren und vieles mehr. Was bislang aufwendig händisch geleistet werden musste, kann nun automatisiert, beschleunigt und – unter den richtigen Bedingungen – sogar qualitativ verbessert werden.

Natürlich kann KI auch mit unstrukturierten Daten umgehen – das sehen wir etwa bei der Analyse von Textdokumenten, Plänen oder E-Mails. Aber der eigentliche Mehrwert entsteht dort, wo semantisch klar strukturierte, konsistente Informationen vorliegen. Genau das schafft BIM – oder eben das, was wir heute strukturiertes, modellbasiertes Planen nennen.

Lässt sich der Potenzialzuwachs in Zahlen ausdrücken? Wahrscheinlich nicht zuverlässig. Aber qualitativ ist der Sprung immens – vor allem dann, wenn wir nicht nur den Planungsprozess betrachten, sondern den gesamten Lebenszyklus: von der ersten Konzeptidee über Bau und Betrieb bis hin zur Umnutzung oder dem Rückbau. In dieser Kombination liegt eine der stärksten Hebelwirkungen für echte Digitalisierung – auch wenn wir dafür vielleicht irgendwann einen neuen Begriff wählen werden.

 

Welche Kernkompetenzen benötigen Planer:innen jetzt und in Zukunft, um das enorme Potenzial von KI für ihre Arbeit wirklich zu nutzen? Sollten wir alle einen Kurs in Prompten belegen?

Man sollte realistisch bleiben: Nicht jede Architektin oder jeder Ingenieur muss künftig selbst KI-Modelle trainieren oder programmieren können. Aber ein grundlegendes Verständnis für diese Systeme – ihre Funktionsweise, ihre Grenzen und ihre Einsatzmöglichkeiten – wird unerlässlich.

Es geht also nicht primär um technisches Spezialwissen, sondern um ein neues digitales Grundverständnis: Was ist maschinelles Lernen? Was sind Daten – und wie entstehen sie? Wie interpretiere ich ein KI-Ergebnis sinnvoll im Kontext meines fachlichen Wissens? Und ganz zentral: Wo endet die Verlässlichkeit der Maschine – und beginnt die Verantwortung des Menschen?

Prompting – also das gezielte Steuern von KI-Systemen über Eingaben – ist in diesem Zusammenhang ein relevanter Baustein. Aber es ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, beeindruckende Textausgaben zu erzeugen, sondern darum, Maschinen mit der nötigen Klarheit zu füttern, Abläufe zu strukturieren, Ergebnisse zu hinterfragen und Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.

An der Hochschule München, wo ich selbst lehre, integrieren wir diese Fragen gezielt in die Ausbildung – nicht als Zusatzmodul, sondern im Zusammenspiel mit fachlichen Inhalten. Denn das Ziel ist nicht, aus Planer:innen IT-Fachleute zu machen, sondern souveräne Anwender:innen: Menschen, die wissen, wann sie einer Maschine vertrauen können – und wann nicht. Menschen, die ihre fachliche Kompetenz mit digitalen Werkzeugen erweitern – ohne sich ihnen auszuliefern.

Kurz gesagt: Wir brauchen in Zukunft keine Armee von Programmierern, sondern reflektierte Fachleute mit einem gesunden Verständnis für Daten, Systeme und Zusammenhänge – also Menschen, die das Ruder in der Hand behalten, auch wenn der Kurs digital vorgezeichnet ist.

 

Welche fachtypischen Fähigkeiten werden künftig wahrscheinlich eher nicht mehr gebraucht?

Fachwissen wird nicht verschwinden – aber es wird sich verschieben. Tätigkeiten, die heute noch in manuellen Rechenwegen, zeichnerischen Konventionen oder redundanten Routineprozessen stecken, werden zunehmend automatisierbar. Das ist keine Abwertung, sondern Ausdruck eines technologischen Fortschritts, den wir bewusst gestalten müssen – auch in der Ausbildung.

Wir werden uns künftig genauer überlegen müssen, welche Inhalte wirklich dauerhaft relevant sind – und welche Kompetenzen situativ, kontextabhängig oder auch softwaregestützt abrufbar sein können. Denn die Lehrpläne sind bereits heute dicht gefüllt. Für jedes neue Thema muss zwangsläufig etwas anderes weichen. Das verlangt nach einer klaren Priorisierung.

Ich sehe darin keine Verarmung, sondern eine Notwendigkeit zur klugen Neuordnung. Wir brauchen ein stabiles Fundament an Kernkompetenzen – etwa konstruktives Denken, Systemverständnis, Verantwortungsbewusstsein – das für alle gilt. Dieses Fundament sollte ergänzt werden durch modular wählbare Vertiefungen, je nach Rolle, Projektkontext oder beruflicher Spezialisierung.

Dabei müssen wir akzeptieren, dass nicht jedes heute gelehrte Detailwissen morgen noch relevant sein wird. Werkzeuge, Normen, Prozesse – all das verändert sich. Was bleibt, ist die Fähigkeit, sich im Wandel zu orientieren und weiterzuentwickeln. Das Prinzip des lebenslangen Lernens ist deshalb nicht nur ein schöner Anspruch, sondern eine zentrale Voraussetzung – sowohl im Studium als auch im Berufsalltag.

Wer also künftig erfolgreich planen, koordinieren und entscheiden will, braucht nicht mehr Wissen im klassischen Sinne – sondern ein stärkeres Bewusstsein dafür, welches Wissen zu welchem Zeitpunkt notwendig ist. Diese Haltung wird zur eigentlichen Schlüsselkompetenz.

 

Auch zusammen mit all den Möglichkeiten von KI, die es vielfach erst noch zu erschließen gilt, bleibt BIM in der Diskussion weiterhin eindeutig die Basis für digitales Planen und Bauen. KI soll demnach dabei helfen, BIM-Projekte effizienter umzusetzen. Ist auch eine Zukunft denkbar, in der man sozusagen den BIM-Pfad wieder verlässt, weil sich durch KI ein neuer Weg auftut?

Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir den Pfad strukturierter, digitaler Bauwerksinformationen – also das, was wir heute unter BIM verstehen – wieder verlassen. Dafür sind die Vorteile einer integralen, modellbasierten Arbeitsweise schlichtweg zu groß. In keiner anderen Branche sehen wir, dass man zu konventionellen, nicht-digitalen Methoden zurückkehrt. Warum also sollte das Bauwesen diesen Weg rückwärts gehen?

Gleichzeitig müssen wir aber auch selbstkritisch anerkennen: Obwohl wir seit über 30 Jahren über BIM sprechen und trotz zahlloser Initiativen, Leitfäden und Pilotprojekte, ist es uns bislang nicht gelungen, BIM flächendeckend in die Breite zu bringen. Der Begriff ist mitunter überfrachtet, noch immer unterschiedlich verstanden – und für manche schlichtweg mit Frustration oder Überforderung verbunden.

Doch diese Ernüchterung ändert nichts an der grundlegenden Notwendigkeit: Strukturierte, digitale Informationen über Bauwerke sind kein Selbstzweck – sie sind die Voraussetzung, um die steigenden Anforderungen an Planung, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Betrieb überhaupt bewältigen zu können. Daran führt langfristig kein Weg vorbei.

Gerade deshalb sehe ich eine große Chance in der Verknüpfung von BIM und KI. Denn wenn wir ehrlich sind: Viele Einstiegshürden – sei es in der Ausbildung oder im Berufsalltag – bestehen nicht in der Ablehnung digitaler Methoden, sondern in ihrer Komplexität. Wer über Jahre analog gearbeitet hat, tut sich einfach schwer, in eine vollständig modellbasierte Logik zu wechseln.

Aber genau hier sehe ich ein großes Potential, dass KI als unterstützendes Werkzeug wirken kann – nicht als Ersatz für Fachlichkeit, sondern als Brücke: Sie kann helfen, erste Strukturierungsschritte zu automatisieren, semantische Informationen aus unstrukturierten Quellen abzuleiten oder Varianten vorzudenken. Das senkt die Einstiegshürde, ohne das Ziel aus dem Blick zu verlieren.

Wenn sich durch KI neue methodische Wege auftun, dann sind es also eher intelligente Abkürzungen innerhalb des bestehenden Pfades – nicht Alternativen dazu. Wir werden nicht „weg von BIM“ gehen, sondern „weiter mit BIM“ – aber intelligenter, zugänglicher und deutlich anschlussfähiger. Das ist kein Widerspruch, sondern eine überfällige Weiterentwicklung.

Das eigentliche Ziel – die Verfügbarkeit konsistenter, digitaler Informationen entlang des gesamten Bauwerkslebenszyklus – bleibt bestehen. Aber der Zugang wird vielfältiger. Und genau darin liegt das Potenzial: Die Digitalisierung verliert ihre Schwere – und wird damit für viele, die heute noch zögern, deutlich anschlussfähiger.

 

In einem Vortrag sagten Sie kürzlich, dass die Basis für eine Bauwerksmodellierung durch KI aktuell noch nicht gegeben sei. Was sind die größten Hürden bei diesem „nächsten Schritt“ und wie können sie überwunden werden?

Der Gedanke, Bauwerksmodelle mithilfe von KI vollständig automatisch zu erzeugen, ist natürlich faszinierend – und zweifellos ein vielversprechendes Zukunftsthema. Es gibt bereits eine Vielzahl von Forschungsansätzen, die genau in diese Richtung arbeiten, und es ist spannend zu beobachten, wie schnell sich die technischen Möglichkeiten hier weiterentwickeln. Gleichzeitig ist es wichtig, realistisch zu bleiben: Der zentrale Unterschied zu vielen anderen KI-Anwendungen – etwa im Bereich von Sprache oder Bildern – liegt in der enormen fachlichen Tiefe und Verbindlichkeit baulicher Informationen. Während es bei Bildern oder Texten häufig darum geht, möglichst plausible Ergebnisse zu erzeugen, geht es in der Planung darum, wie etwas tatsächlich funktioniert – konstruktiv, technisch, regelkonform. Genau das macht die Aufgabe für KI so anspruchsvoll.

Bauwerksdaten sind keine kreative Spielwiese, sondern hochstrukturierte Systembeschreibungen mit klaren Abhängigkeiten, Normen und technischen Anforderungen. Wer hier automatisiert modellieren will, braucht nicht nur intelligente Algorithmen, sondern auch eine sehr saubere, gut strukturierte Datengrundlage, maschinenlesbares Domänenwissen und belastbare Verfahren zur Validierung. In all diesen Punkten stehen wir noch am Anfang – aber der Weg ist geebnet.

Die größte Hürde ist dabei aktuell nicht die KI-Technologie selbst, sondern das, was ihr fehlt, um im Planungsbereich überhaupt sinnvoll arbeiten zu können. Noch immer mangelt es an durchgängig strukturierten und standardisierten Daten, die sich zum Training oder zur Ableitung valider Modelle eignen. In vielen Projekten liegen Informationen fragmentiert, uneinheitlich oder in geschlossenen Formaten vor. Ohne diese Basis kann keine KI belastbare Aussagen über Zusammenhänge, Abhängigkeiten oder Anforderungen treffen.

Hinzu kommt, dass das eigentliche Fachwissen – also das, was erfahrene Planer:innen ausmacht – bislang kaum in maschinenlesbarer Form vorliegt. Unsere Regeln, unsere Erfahrungswerte, unsere Planungslogiken stecken oft in Köpfen, in Texten, in implizitem Wissen. Damit eine KI tatsächlich Bauwerksmodelle erzeugen kann, braucht sie dieses Wissen in strukturierter, codierter Form – als Ontologien, Entscheidungsregeln, Constraints. Genau daran arbeiten derzeit verschiedene Forschungs- und Standardisierungsprojekte, aber es ist ein anspruchsvoller Weg.

Und schließlich stellt sich auch die Frage der Validierung: Selbst wenn ein KI-System ein Modell erzeugt, muss es geprüft und abgesichert werden können – technisch, normativ, juristisch. Es reicht nicht, dass etwas „gut aussieht“. Es muss funktionieren, zulässig und nachweisbar sein. Auch dafür fehlen heute vielerorts noch die passenden Prüfstrukturen und Referenzsysteme.

Trotzdem bin ich zuversichtlich: Diese Hürden sind nicht prinzipieller Natur, sondern vor allem organisatorischer und methodischer Art. Wenn es gelingt, Fachplaner:innen, Softwarehäuser, Standardisierungsgremien und KI-Experten enger zusammenzubringen und gemeinsam an offenen, interoperablen Strukturen zu arbeiten, dann werden wir in den kommenden Jahren große Fortschritte machen. Noch sind wir nicht so weit – aber die Richtung stimmt, die Grundlagen dafür sind gelegt und das Ziel ist klar.

 

Architekt:innen werden vermutlich zumindest immer das letzte Wort haben, egal wie viel Arbeit KI ihnen im Planungsprozess abnimmt. Sie treffen letztendlich die Entscheidung über das, was maschinell erarbeitet wurde. In anderen Planungsbereichen könnte das schon anders aussehen. Werden manche Spezialist:innen (zum Beispiel für TGA) eventuell bald gar nicht mehr gebraucht?

Die Aufgaben werden sich ohne Zweifel verändern – aber der Bedarf an Fachdisziplinen bleibt bestehen. Gerade in der Technischen Gebäudeausrüstung, wo unterschiedlichste Systeme miteinander verzahnt sind und komplexe Anforderungen zu erfüllen sind, bleibt das menschliche Urteilsvermögen essenziell. Was sich wandelt, ist weniger das „Ob“ als vielmehr das „Wie“: Statt manuellem Zeichnen oder klassischer Ausarbeitung rücken Tätigkeiten wie Parametrieren, Überwachen und das gezielte Steuern KI-gestützter Prozesse in den Vordergrund.

Diese Entwicklung beobachten wir übrigens nicht zum ersten Mal: Schon die Einführung von Building Information Modeling hat deutlich gemacht, dass das klassische Fachwissen keineswegs verschwindet – im Gegenteil. Es wurde in neue Formen der Zusammenarbeit eingebettet und musste dort um digitale Kompetenzen ergänzt werden. Genau diese Dynamik setzt sich nun mit der Einführung KI-gestützter Systeme fort – allerdings mit deutlich höherem Tempo und einem weiteren Automatisierungsschub.

Das betrifft nicht nur die TGA, sondern ebenso Bereiche wie Tragwerksplanung, Bauphysik oder Projektsteuerung. KI kann dabei unterstützen, Prozesse effizienter zu gestalten, Varianten zu prüfen oder Routinen zu automatisieren – aber sie braucht nach wie vor Menschen, die den Kontext verstehen, Zielkonflikte einordnen und Entscheidungen verantwortungsvoll treffen.

Die Rolle der Fachdisziplinen verändert sich damit fundamental: vom „Ersteller“ hin zum „Navigator“, vom technischen Detailbearbeiter zum Gestalter komplexer Abwägungsprozesse. Wer bereit ist, diese neue Rolle anzunehmen – und wer sie aktiv mitgestaltet –, bleibt nicht nur gefragt, sondern gewinnt sogar an Relevanz.

 

Die Beschäftigung mit KI ist auch eine permanente Beschäftigung mit der Zukunft, mit dem, was sein wird oder sein könnte. Wie sähe ihrer Ansicht nach idealerweise ein komplett KI-optimiertes Bauwesen aus? Was wären die Aufgaben von Architekt:innen und Ingenieur:innen in einer idealen Planungswelt?

In einer idealtypisch KI-unterstützten Bauwelt wären viele der heute zeitintensiven Routinetätigkeiten weitgehend automatisiert. Varianten würden in Sekunden entstehen und sich anhand klarer Kriterien bewerten lassen – ob in Bezug auf Kosten, Nachhaltigkeit oder Bauzeit. Planung, Ausführung und Betrieb wären nicht mehr voneinander getrennte Silos, sondern intelligent vernetzte Prozessräume mit durchgängig verfügbaren, kontextbezogenen Informationen.

Doch was mir dabei insbesondere wichtig ist: Die Rolle der Menschen würde in einer solchen Zukunft nicht kleiner, sondern präziser werden. Planer:innen wären nicht weniger gefragt, sondern in einer neuen Qualität – als Orchestrierende komplexer Systeme, als Deutende von Kontext, als Verantwortliche für gesellschaftlich tragfähige Entscheidungen. Denn die wesentlichen Fragen – „Was ist sinnvoll?“, „Was ist verantwortbar?“, „Was ist gestalterisch richtig?“ – wird uns keine KI abnehmen.

Eine solche Zukunft ist kein utopisches Ideal, sondern ein realistisches Zielbild. Die technischen Voraussetzungen entstehen gerade, die methodischen Konzepte reifen. Was es braucht, ist der Wille zur Veränderung – in der Planungspraxis ebenso wie in der Ausbildung und den institutionellen Strukturen. KI kann uns vieles erleichtern. Aber sie kann und darf uns das Denken nicht abnehmen. Die eigentliche Herausforderung liegt also nicht in der Technik, sondern in unserer Bereitschaft, mit ihr verantwortungsvoll und gestaltend umzugehen.

>> Sehen Sie sich das komplette Interview hier an: https://www.youtube.com/watch?v=lM1TuXCRpTY