Ob 400 oder über 600 Meter, keine Schlucht ist zu tief für die höchsten Brücken der Welt. In diesem Ranking zeigen wir, welche Brücken aktuell die Spitzenplätze belegen, warum sie allesamt chinesische Schluchten überspannen – und was die Bauwerke so besonders macht.
Warum Chinas Schluchten Brückenrekorde brechen
Superlative im Brückenbau entstehen selten aus reinem Zufall. Sie sind Ausdruck technischer Ambitionen, nationaler Stärke – und manchmal auch eine Frage des Prestiges. Doch selbst wenn der Wunsch nach Rekorden mit im Spiel ist: Die höchsten Brücken weltweit erfüllen meist sehr konkrete, praktische Zwecke. Sie überwinden gewaltige Höhenunterschiede, verbinden abgelegene Regionen und schaffen Verkehrsverbindungen, wo der klassische Straßenbau an seine Grenzen stößt.
Unsere Suche führt uns unweigerlich nach China. Neun der zehn höchsten Brücken der Welt befinden sich mittlerweile dort – ein Verhältnis, das sich auch in Hinblick auf die Top 100 kaum anders darstellt. Die fünf Spitzenplätze beansprucht das Reich der Mitte vollständig für sich. Doch warum ist das eigentlich so? Neben mitunter extrem bergigen Landstrichen samt tiefen Tälern spielt auch die gezielte Ausbaupolitik des Landes eine zentrale Rolle.
Fahrbahnen und Schienenwege benötigen in Form von Brücken deutlich weniger Fläche als im klassischen Tiefbau – bis zu 2,9 Hektar Land lassen sich pro Kilometer Bahnstrecke einsparen. Außerdem können wichtige Verkehrsadern durch dicht bebaute Regionen geführt werden, ohne Gebäude zu verdrängen oder Stadtteile voneinander abzuschneiden. Die zumeist vorgefertigten Konstruktionen ermöglichen eine schnelle Errichtung und eine vergleichsweise einfache Wartung.
Es ist also kein Zufall, dass die höchsten Brücken der Welt genau dort entstehen, wo Topografie, Technik und Planungspolitik zusammenspielen.
Platz 1: Huajiang-Canyon-Brücke
Seit Sommer 2025 hält die Huajiang‑Canyon‑Brücke den Titel „höchste Brücke der Welt“: Das Fahrdeck liegt 625 Meter über dem Talboden des Beipan Jiang in Guizhou, China. Damit überragt sie den bisherigen Spitzenreiter deutlich.
Die Brücke erstreckt sich über eine Gesamtlänge von 2.890 Metern, mit einer beeindruckenden Hauptspannweite von 1.420 Metern. Zwei Pylone mit einer Höhe von bis zu 262 Metern stützen das zentrale Brückensegment, das zwischen ihnen freihängend über die Schlucht führt.
Möglich wurde dieser Bau durch industrielle Vorfertigung und effiziente Fertigungsmethoden. Die Brücke wird voraussichtlich Ende Juni 2025 für den Verkehr freigegeben und markiert einen neuen technischen Höhepunkt im globalen Brückenbau. Die höchste Brücke der Welt steht damit weiterhin in China – als technisches Meisterwerk an der Grenze des Machbaren.
Platz 2: Beipanjiang-Brücke (Duge Bridge)
Mit einer Höhe von 565 Metern über dem Talgrund des Beipan Jiang galt die Beipanjiang-Brücke – auch Duge Bridge genannt – jahrelang als höchste Brücke der Welt. Sie liegt an der Grenze zwischen den chinesischen Provinzen Guizhou und Yunnan und wurde 2016 als Teil der Hangzhou–Ruili-Autobahn (G56) für den Verkehr freigegeben.
Die Schrägseilbrücke misst 1.341 Meter in der Gesamtlänge. Ihre Hauptspannweite von 720 Metern überspannt das Tal zwischen zwei Pylonen, von denen der östliche mit rund 269 Metern Höhe selbst zu den höchsten weltweit zählt. Der mittlere Teil des Brückendecks ist als offene Stahlfachwerkkonstruktion ausgeführt, flankiert von massiven Betonbalken an beiden Enden.
Auch wenn sie ihren Spitzenplatz inzwischen verloren hat, bleibt die Beipanjiang-Brücke ein Meilenstein im Brückenbau – sowohl in technischer Hinsicht als auch wegen ihrer Lage in einem der spektakulärsten Gebirgstäler Chinas. Als zweithöchste Brücke der Welt demonstriert sie eindrucksvoll, wie effizient Ingenieurskunst und Topografie zusammenwirken können.
Platz 3: Siduhe-Brücke
Die Siduhe-Brücke bei Yesanguan in der chinesischen Provinz Hubei gehört zu den Pionierbauten des modernen Brückenbaus. Ihre Fahrbahn verläuft 496 Meter über dem Fluss – nahe an der 500-Meter-Marke. Bei ihrer Eröffnung im Jahr 2009 war sie die höchste Brücke der Welt und führte das Ranking sieben Jahre lang an.
Die Hängebrücke ist Teil der wichtigen Shanghai–Chongqing-Autobahn und führt auf rund 1.100 Metern Länge über das enge Tal des Siduhe. Nimmt man die äußeren Verankerungspunkte mit dazu, misst sie sogar 1.222 Meter. Ihre Hauptspannweite zwischen den Pylonen beträgt 900 Meter – eine beachtliche Dimension, die für damalige Verhältnisse neue Maßstäbe setzte.
Für besondere Aufmerksamkeit sorgte das Bauverfahren: Das erste Tragseil wurde nicht wie üblich mit einem Hilfsseil eingezogen, sondern mithilfe einer Militärrakete über die Schlucht geschossen – eine Premiere im Brückenbau. Diese innovative Methode wurde später auch bei anderen Projekten, etwa der Puli-Brücke, übernommen.
Platz 4: Puli-Brücke
Steil eingeschnittene Schluchten und schwer zugängliches Gelände prägen die Region um Pulixiang in Yunnan – hier spannt sich die Puli-Brücke in 485 Metern Höhe über das gleichnamige Tal. Sie wurde 2015 fertiggestellt und ist Teil der Hangzhou–Ruili-Autobahn, die eine wichtige Ost-West-Verbindung im Süden Chinas bildet.
Die Hängebrücke misst insgesamt 1.040 Meter, ihre Hauptspannweite beträgt 628 Meter. Besonders auffällig ist der Hybridaufbau: Zwischen den Pylonen verläuft ein stählerner Hohlkasten mit aerodynamischem Profil, der über doppelte Stahlstangen mit den Tragseilen verbunden ist. Die Brückenenden bestehen aus Plattenbalken aus Stahlbeton, die von massiven Pfeilern getragen werden.
Die Puli-Brücke zählt zu den technisch anspruchsvollsten Hybridbauten im chinesischen Hochgebirge – ein Beispiel dafür, wie sich Bauformen flexibel an die Gegebenheiten extremer Landschaften anpassen lassen.
Platz 5: Jinshajiang-Brücke-Jin'an
Seit 2020 überspannt eine der beeindruckendsten Hängebrücken Chinas den sogenannten Jinsha Jiang – den Oberlauf des Jangtsekiang – in der Provinz Yunnan. Offiziell heißt sie Jinshajiang-Brücke-Jin’an, wird jedoch meist einfach Jin’an-Brücke genannt. Die Fahrbahn liegt 461 Meter über dem Talgrund, womit sie aktuell Platz 5 im weltweiten Ranking der höchsten Brücken belegt.
Diese Platzierung ist allerdings nicht durchgehend gesichert: Die Brücke verläuft oberhalb der Jinanqiao-Talsperre, deren Stausee den Flusspegel um bis zu 126 Meter anheben kann. Bei maximalem Wasserstand sinkt die effektive Höhe auf 335 Meter und die Brücke fällt zeitweise aus den Top 15 der höchsten Brücken heraus.
Die Jin’an-Brücke ist Teil der Autobahn Chengdu–Lijiang und wurde speziell für die Verbindung zweier abgelegener Gebirgsregionen gebaut. Sie zeigt eindrucksvoll, wie technisches Know-how und geografische Herausforderungen im modernen Brückenbau zusammenkommen.
Warum hohe Brücken funktionale Lösungen sind
Die höchsten Brücken der Welt entstehen dort, wo direkte Verbindungen über unwegsames Gelände gefragt sind. Ihre Höhe ergibt sich aus geografischen Gegebenheiten und aus dem Ziel, Strecken effizient, dauerhaft und ohne große Umwege zu führen. Sie ermöglichen Verkehr in Regionen, die lange schwer zugänglich waren, und verkürzen Wege zwischen zuvor weit entfernten Punkten. So zeigen die höchsten Brücken der Welt, wie aus anspruchsvollen Voraussetzungen funktionierende Infrastruktur entstehen kann.