„Zurückhaltung ist gut“ – KI und Nachhaltigkeit bei asp Architekten
Im Interview mit Digitalisierungsexperte Stefan Kaufmann erfahren wir, warum energetische Gebäudesanierung für die Energiewende so wichtig ist und was es für ihre Planung braucht.
Energieeffiziente Gebäude sind ein integraler Teil der Energiewende. Im Gespräch zeigt Stefan Kaufmann, Product Manager bei ALLPLAN, die Effizienzpotentiale älterer Gebäude auf und beleuchtet zugleich die Herausforderungen einer umfassenden energetischen Sanierung des Gebäudebestands in Deutschland. Dabei erklärt der Digitalisierungsexperte unter anderem, warum geringere Standards für Neubauten und Sanierungen am Ende mehr kosten, wieso eine nachhaltige energetische Planung digital sein muss und weshalb er grundsätzlich empfiehlt, mit 3D-Modellen zu arbeiten.
Herr Kaufmann, der Gebäudebereich bietet große Energieeinsparpotenziale. Laut DENA wurden etwa 63 Prozent der Wohngebäude in Deutschland vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 errichtet. Folglich sind die Effizienzpotentiale bei älteren Häusern besonders hoch: Sie verbrauchen bis zu fünfmal mehr Energie als nach 2001 errichtete Gebäude. Wir erleben, wie sich die Bauwirtschaft neu ausrichtet. Wie sehen Sie die Chancen, dass die Energiewende wirklich umgesetzt wird?
Deutschland verfügt über circa vier Milliarden Quadratmeter Wohnfläche. Eine umfassende thermische Sanierung aller Wohngebäude ist eine Mammutaufgabe, die der Bauwirtschaft noch sehr lange gefüllte Auftragsbücher bescheren wird. Sie wird aber nur dann in der gebotenen Geschwindigkeit umgesetzt werden, wenn durch intelligente Politik mehr öffentliche und private Investitionen aktiviert werden. Außerdem muss auch die Bauwirtschaft mit innovativen Prozessen skalieren.
Ich sehe im Markt erfreuliche Entwicklungen. So hat sich die Zahl der jährlich abgerissenen Häuser in den letzten 20 Jahren in Deutschland nahezu halbiert. Die Investitionen in die Sanierung wurden in den letzten zehn Jahren um circa 40 Prozent gesteigert.
Wo liegen die Unterschiede zwischen Neubau- und Sanierungsprojekten?
Die wesentlichen Schritte in der Planung sind ähnlich, denn oft wird bei der Sanierung zusätzlich der Wohnraum erweitert, was die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme massiv steigern kann und nebenbei ein zweites gesellschaftliches Problem, den Mangel an Wohnraum, adressiert.
Wir müssen die Effizienz bei der Modernisierung deutlich erhöhen. Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Die Planung von Sanierungsmaßnahmen läuft heute bereits komplett digital ab. Eine energetische Planung, die über die Ertüchtigung von einzelnen Bauteilen hinausgeht, ist ohne einen digitalen Planungsprozess nicht mehr effizient darstellbar. Die digitalen Lösungen am Markt werden immer besser und einfacher. Die digitale Kette läuft in guten Teams bis zur Maschinensteuerung in der Vorfertigung.
Die Erstellung von BIM-Modellen ist mit Aufwand verbunden. Wo sehen Sie die Vorteile?
Die Erstellung einer auf den Bedarf abgestimmten Informationsgrundlage ist zwingend notwendig. Es muss aber nach Objektgröße unterschieden werden. Bei kleinen Gebäuden ist der Nutzen über die energetische Berechnung hinaus sehr begrenzt. Bei großen Gebäuden ist ein mehrfacher und langfristiger Nutzen der BIM-Modelle im Facility Management vorhanden. Die Erstellung der Modelle erfolgt heute aus Punkwolken. 3D-Laserscanner werden immer günstiger und die Software zur Verarbeitung von Punktwolken immer besser. ALLPLAN verfügt über neueste Technologie, um große Punktwolken in der CAD-Software anzeigen zu können. Bei Neubauten geht der Trend klar in Richtung optimierter Modelldaten, die neben der Kostenberechnung auch für die Ökobilanzierung verwendbar sind.
Wie stark detailliert man in ALLPLAN bei der Gebäuderekonstruktion? Ist immer ein 3D-Modell notwendig?
Sowohl für die Energiebedarfsberechnung als auch für die automatisierte Fertigung benötigt man 3D-Modelle. Sie unterscheiden sich allerdings stark im Detaillierungsgrad. Je nach Objekt und Aufgabe wird das 3D-Modell auf die Räume und Öffnungen beschränkt oder hoch detailliert ausgearbeitet. Anhand der Modelldaten werden die Flächen und Volumen ermittelt. Zudem liefert das BIM-Modell eine gute Übersicht über alle energetisch relevanten Flächen. Die Vollständigkeit und Plausibilität der thermischen Berechnung kann am Modell einfach geprüft werden. In komplexen Projekten werden auch die Wärmebrücken als Schemamodell in 3D erstellt.
Noch einmal zu BIM: Ist es möglich, dass aus dem Planungsmodell eine vollständige Energiebedarfsberechnung nach DIN 18599 abgeleitet wird?
Ja, aus den Modellen mit massiven Bauteilen und den Definitionen für die Räume entsteht das Berechnungsmodell mit Zonen und den zugeordneten Bauteilen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Arbeit findet nach der Modellierung im Berechnungsprogramm statt. Hier müssen die energetischen Vorgaben und Annahmen, die über die Definition der Bauteile hinausgehen (Anlagentechnik, Beleuchtung, Belüftung, Nutzungsprofile usw.), getroffen werden.
Die integrierte Lösung in ALLPLAN schafft einen robusten Workflow ohne Schnittstellen. Sieht so die Zukunft der Energieberatung aus?
Optimierte Arbeitsläufe mit wenigen oder keinen Schnittstellen reduzieren den Arbeitsaufwand und die Fehler. Es empfiehlt sich, möglichst wenige unterschiedliche Tools für Aufgaben einzusetzen und diese dafür möglichst auszureizen. ALLPLAN bietet mit AX3000 ein ganzheitliches Planungspaket mit dem Modellierung, Energieberechnung, Ökobilanzierung, Sanierungsfahrplan und Detaillierung in einer einzigen Umgebung stattfinden. Das reduziert Fehler und spart Zeit bei der Einarbeitung.

Um die Kosten der thermischen Sanierung zu decken, wird in der Regel versucht, die Nutzfläche von Immobilien zu erhöhen (Beispiel Dachgeschossausbau).
Soll ein Gebäude umgebaut oder saniert werden, sind die energetischen Maßnahmen oft der Weg, um Zugang zu Fördermitteln zu erhalten. Im besten Fall verfügt das Sanierungsobjekt über das Potential, im Rahmen der thermischen Sanierung zusätzliche vermietbare oder verkaufbare Flächen zu schaffen. Das Baurecht entscheidet also über die Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen. Während früher oft über viele Jahre hinweg mit Einzelmaßnahmen kontinuierlich saniert wurde, wird heute versucht, mit einer großen Maßnahme ganzheitlich zu sanieren.
Welche Tipps würden Sie Architekt:innen mit auf den Weg geben, die in den Bereich der thermischen Gebäudesanierung einsteigen wollen?
Versuchen Sie, Synergien zu schaffen, indem Sie Punktwolken und BIM-Modelle möglichst breit nutzen und den Aufwand zur Erstellung mit Ihren Projektpartnern teilen. So entsteht eine gute Informationsgrundlage für alle Beteiligten. Sie ersparen den Bewohner:innen, sich selbst, Ihren Partnern und den Behörden viele unnötige Fahrten zum Sanierungsobjekt.