Studierende der HTW Dresden planen Brücken mit ALLPLAN Civil
Am Vierwaldstättersee entsteht gerade ein spektakuläres Stück alpine Infrastruktur. Den zahlreichen Herausforderungen begegnen die Projektbeteiligten mit einer komplett modellbasierten Planung.
Wer schon einmal in den Alpen mit dem Auto unterwegs war, kennt sie vermutlich: Straßen, die auf teils irrwitzige Weise vom Fels auskragen, an dem sie notwendigerweise entlangführen. Ein solches Lehnenbauwerk ist auch Teil eines aktuellen Straßenbauprojekts am Vierwaldstättersee. Dort wird gerade ein 400 Meter langer Abschnitt der wichtigen Kantonstrasse K2b zwischen den Orten Vitznau und Gersau saniert und ausgebaut. 313 Meter davon werden als Lehnenkonstruktion ausgeführt. Die anspruchsvolle Planung für das spektakuläre Bauwerk stammt vom Zürcher Ingenieurbüro Bänziger Partner und erfolgte in erster Linie mit ALLPLAN Civil. Dabei wurden die Schalung, Bewehrung und Verankerung des Bauwerks, die Baugrube inklusive Sicherung, das schwierige Gelände inklusive Baugrund, eine Hochspannungsleitung sowie eine bestehende Bunkeranlage modelliert.
Herausfordernde Topographie
In dem Projekt an der Grenze zwischen den Kantonen Luzern und Schwyz gilt es die bestehende Straße (Baujahr 1885/86), die zuletzt 1939 verbreitert wurde, nicht nur zu erneuern, sondern auch an inzwischen geltende Normen anzupassen. Daraus ergibt sich eine erhebliche Erweiterung des Bauwerks – mit einer um drei bis 5,5 Meter vergrößerten Auskragung. Eine besondere Hausforderung stellt dabei die Topographie dar: Die Straße führt rund um das Bergmassiv Rigi und ist die einzige Verbindung zwischen Vitznau und Gersau. Eine längere Straßensperrung ist deshalb ausgeschlossen, was bedeutet, dass unter laufendem Verkehr gebaut werden muss. Einzige Ausnahme bilden zwei jeweils dreiwöchige Vollsperrungen für Arbeiten, die bei Verkehr nicht durchführbar sind. Der Streckenabschnitt befindet sich zudem in einer stark exponierten Lage über dem See, woraus sich strenge Bestimmungen des Landschaftsschutzes für eine visuell ansprechende Gestaltung des Bauwerks ergeben. So soll etwa das Tragwerk an eine organische Struktur erinnern.
Drei verschiedene Tragkonstruktionen für ein Lehnenbauwerk
Aufgrund der topographischen Gegebenheiten samt ästhetischer Anforderungen sowie der Notwendigkeit, unter Verkehr zu bauen, kommt nur eine rückverankerte Rippenkonstruktion infrage, die zwischen der einspurigen Verkehrsführung und dem Abgrund „hineingezwängt“ wird. Das Bauwerk besteht aus einem durchgängigen Streifenfundament mit einer Regelbreite von zwei Metern, der durchgehenden Rückwand mit einer Höhe von 3,5 Metern sowie einer permanenten Rückverankerung mittels vorgespannten Kontrollankern. Für letztere werden Litzenanker mit jeweils sieben 0,5-Zoll-Litzen verwendet, die in einem Abstand von einem Meter angeordnet und wechselweise mit einer Neigung von fünf beziehungsweise 15 Grad gebohrt sind.
Aufgrund der hohen gestalterischen Ansprüche liegen die Rippen in einem verhältnismäßig kleinen Abstand von nur vier Metern zueinander. Gleichsam schließt die Fahrbahnplatte seeseitig mit dem Konsolkopf ab und trägt den durchgängigen Straßenkoffer. Die Konstruktion verändert sich stetig mit dem Gelände und der projektierten Straße. Die insgesamt 55 Rippen weisen daher alle eine unterschiedliche Geometrie auf. Dort, wo das Bauwerk durch den Wald leicht verdeckt wird, tragen wiederum konventionelle Winkelstützmauern die Straße. Damit werden insgesamt drei verschiedene Tragkonstruktionen verwendet. Bei deren Gestaltung stand den Ingenieur:innen der Architekt Eduard Imhof beratend zur Seite.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich noch einmal mitten in der Steilwand aus einem Felseinschnitt, den das Bauwerk auf einer Länge von 20 Metern frei überbrücken muss. Vier Rippen werden hier abgefangen, indem die Rückwand verstärkt und mit einer bergseitig angehängten Fahrbahnplatte ergänzt wird. Das Streifenfundament wirkt als Untergurt und sorgt für eine hohe Wölbsteifigkeit.
Komplett modellbasierte Planung mit ALLPLAN
Planungsgrundlage bildete ein parametrisches Modell in ALLPLAN Civil. Dabei modellierten Bänziger Partner nicht nur das Betonbauwerk, sondern auch sämtliche permanenten ungespannten und vorgespannten Anker sowie die Mikropfähle. Jedes Bauteil wurde zudem mit Attributen wie etwa Namen, Länge, Neigung etc. versehen. Aufgrund der starken Krümmung des Bauwerks kreuzen sich die Anker zwangsläufig. Durch die Modellierung konnten hier Kollisionen leicht vermieden werden. Neben dem Bauwerk wurde unter anderem auch die Baugrube modelliert, so dass das ausführende Unternehmen den Aushub per 3D-Baggersteuerung übernehmen kann. Das Baugrubenmodell enthält zudem alle ungespannten Anker der temporären Baugrubensicherung, um mögliche Bohrkonflikte möglichst noch während der Planungsphase zu erkennen.
Auch von weiteren relevanten Objekten, wie einer bestehenden Bunkeranlage, der Hochspannungsleitung und dem Gelände (samt Geologie mit Felsoberfläche und Bruchkörpern) wurden Modelle generiert, so dass von einer komplett modellbasierten Planung gesprochen werden kann. Selbst das ausführende Unternehmen hatte gemäß Ausschreibung all seine Konzepte in 3D zu erstellen, um etwa Kollisionen zwischen den Fundationen der Kräne und bereits projektierten Ankern oder zwischen dem talseitigen Schwerlastgerüst und den Mikropfählen sichtbar zu machen. Das detaillierte BIM-Modell von Bänziger Partner bildete somit bereits in der Ausschreibungsphase die Voraussetzung, um die Ausführbarkeit des Projekts sicherzustellen.
Alles in allem machte sich der höhere Planungsaufwand durch das Modell mehr als bezahlt. So ließ sich anhand dessen etwa auch die komplexe Bewehrung erstellen, Bauhilfsmaßnahmen konnten schnell und einfach kontrolliert werden. Zudem nutzte das Bauunternehmen das BIM-Modell unter anderem zur modellbasierten Absteckung, 3D-Baggersteuerung, Bestimmung der Betonkubatur oder um die Oberfläche der Baugrube laufend zu kontrollieren.
Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft: Projektierung und Bauleitung: Architektonische Begleitung: | Geologie: Umwelt: Bauausführung: |