Freigelegt und neu gebaut: Ein alter Wehrturm in Neustadt an der Donau macht in neuem Gewand die Geschichte des Ortes greifbar und wertet zugleich das Stadtbild auf.
Neustadts gibt es viele, den Weegturm in Neustadt an der Donau aber nur einmal. Der kleine ehemalige Wehrturm steht schon seit Mitte des 14. Jahrhunderts in der niederbayerischen Stadt. Nachdem letztere bei einem Brand beinahe vollständig zerstört worden war, erhielt sie damals eine massive Stadtmauer. Der Weegturm war jahrhundertelang ein Teil davon. Nach 1850 dürften allerdings die Wenigsten von seiner Existenz gewusst haben. Damals wurde das schlanke Bauwerk in ein Wohnhaus integriert und ward seither nicht mehr gesehen – bis es 174 Jahre später wieder freigelegt wurde. Es folgte ein Wiederaufbau, der die alte Form in zeitgenössischem Gewand zitiert. Die moderne Konstruktion dieses stadtgeschichtlichen Denkmals wurde mit ALLPLAN geplant.
Hybridkonstruktion aus Beton, Stahl und Holz
Mehr als Mauerwerksreste waren vom Weegturm nicht übrig, als er 2024 aus den Trümmern des rückgebauten Wohnhauses hervortrat. Um den neuerlich entblößten Turm wirklich wieder aufleben zu lassen, brauchte es also ein Konzept für den Wiederaufbau. Dieses lieferten Brückner & Brückner Architekten aus Tirschenreuth. Zusammen mit dem Kelheimer Ingenieurbüro Kugler + Kerschaum entwickelten sie eine aufgelöste Hybridkonstruktion aus Beton, Stahl und Holz, die den fehlenden Teil des weit über 600 Jahre alten Bauwerks in seiner Form nachempfinden lässt.
Betonbau, Stahlkonstruktion, Holzbau und konstruktiver Holzschutz
Die Grundlage bildet ein Ringanker aus Beton, der die mittlerweile denkmalgerecht aufbereiteten Wandflächen einfasst. Daran schließt eine filigrane Stahlkonstruktion an, die horizontale Holzbalken mitsamt der Turmspitze bis in eine Höhe von etwa 14,5 Metern trägt. Insgesamt wurden zwölf Kubikmeter Lärchenholz sowie 14 Kubikmeter Fichtenholz für den Wiederaufbau verwendet. Für den konstruktiven Holzschutz sorgen hinterschnittene, luftumspülte Hirnholzanschlüsse in Kombination mit Abdeckungen aus Kupfer.
BIM-Planung mit ALLPLAN
Die Planung dieser ausgefeilten Hybridkonstruktion erfolgte mit ALLPLAN, was zahlreiche Vorteile mit sich brachte. Hierzu wurde zunächst das per Laserscan erfasste 3D-Aufmaß der Turmreste als Mesh eingelesen. Anschließend modellierten Kugler+Kerschaum die Geometrie und Bewehrung des Ringankers auf dem Bestandsmodell. Dadurch ließen sich unter anderem bereits die Stabstahllisten für das ausführende Bauunternehmen als Reports auslesen. Gleichsam wurde in dem Modell die komplexe Stahl- und Holzbaukonstruktion mit über 300 verschiedenen Hölzern entwickelt. Auch hier diente die Reportfunktion zur Mengenermittlung für die Ausschreibung des Holz- und Stahlbaus.
OPEN BIM via IFC
Die fertige Ausführungsplanung wurde in dem OPEN BIM-Projekt via IFC-Schnittstelle an die ausführenden Unternehmen übergeben. Auf dem umgekehrten Weg überprüften die Ingenieur:innen die Werkplanung der Stahl- und Holz-Fertigbauteile IFC-basiert anhand des Modells auf Kollisionen. Maßkontrolle und Abnahme der Stahlkonstruktion erfolgten direkt vor Ort mit BIMPLUS. Beim Gewerk Zimmerer diente die Reportfunktion in ALLPLAN noch einmal als Abrechnungsgrundlage für die verarbeiteten Holzmengen.

Lebendige Stadtgeschichte durch Architektur in neuem Gewand
Der neue alte Weegturm wertet mit seinem modernen, optisch ansprechenden Gewand aus Holz, Beton und Mauerwerk nicht nur das Stadtbild an Ort und Stelle auf, er macht auch die bewegte Geschichte von Neustadt an der Donau greifbar. Das Bauwerk markiert den einstigen Stadtkern und erinnert zugleich an Wachstum und Wandel, denen die Stadt wie so viele andere im Laufe der Zeit unterlag. Nicht zufällig ist der Turm mittlerweile fester Bestandteil historischer Stadtführungen.
