Der Ersatzneubau des Ottendorfer Viadukts ist ein grandioses Ingenieurbauwerk, nur ohne digitalen Zwilling. Letzteren lieferte nun ein Nachwuchsingenieur mit Allplan Bridge nach.
Über 160 Jahre stand das Ottendorfer Viadukt auf der Bahnstrecke Riesa-Chemnitz, bis es 2015 nicht mehr zu retten war und ersetzt werden musste. Der damals errichtete Ersatzneubau stellte für die Deutsche Bahn ein Novum dar: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte baute sie eine Brücke mit rahmenversteiftem Bogentragwerk. Bei der Planung des Bauwerks wurde zwar teilweise mit 3D-Modellen gearbeitet, jedoch nicht unter Anwendung der BIM-Methode, so dass kein digitaler Zwilling der Brücke für künftige (Wartungs-) Arbeiten zur Verfügung steht. Ein Student der HTW Dresden hat hier nun im Rahmen einer Semesterarbeit – im Lehrgebiet Bauinformatik – Abhilfe geschaffen und den imposanten Überweg mit Allplan Bridge nachmodelliert.
© Alexander Peter / HTW Dresden
Erstes rahmenversteiftes Bogentragwerk der Deutschen Bahn
Um den gestalterischen und funktionalen Vorgaben gerecht zu werden, wurde der Ersatzneubau für die alte Gewölbebrücke seinerzeit als rahmenversteiftes Bogentragwerk konzipiert – eine Premiere bei der Deutschen Bahn. Die Gesamtlänge beträgt 90,95 Meter bei einer Bogenstützweite von 74,95 Metern. Das zentrale Element bildet dabei der Stabbogen mit einer an Flachstahlträgern aufgehängten Fahrbahn. Ein besonderes konstruktives Merkmal macht die Brücke zu einem außergewöhnlichen Ingenieurbauwerk: Die Versteifungsträger werden vom Bogen durchdrungen und bilden mit diesem sowie zusammen mit den nach unten verlängerten Bogenstielen ein zusätzlich tragendes Rahmensystem. Mithilfe einer seitlichen Vorfertigung des neuen Brückentragwerks und eines anschließenden Querverschubs konnte die Brücke in einer Kernbauzeit von nur vier Monaten errichtet werden.
Noch weitgehend 2D-Planung
Für die Ausführungsplanung zeigten sich damals die Dittmann+Ingenieure Bauplanung GmbH & Co. KG sowie das Büro Curbach Bösche Ingenieurpartner aus Dresden verantwortlich. Die Ingenieure setzten dabei noch weitgehend auf eine 2D-Planung. Für die Statik wurden auch 3D-Modelle erstellt. Von einem digitalen Zwilling, der sich über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerks als fortlaufende Datengrundlage für Wartungsarbeiten und Prüfungen eignet, ist das vorhandene Planungsmaterial jedoch unzureichend. Da allerdings das BIM-basierte Arbeiten auch im Bestand immer mehr zunimmt und insbesondere das Interesse an As-built-Modellen bestehender Infrastruktur wächst, nahm sich der Master-Student Alexander Peter von der HTW Dresden 2020 der Brücke in einer Semesterarbeit an.
Digitaler Zwilling mit Allplan Bridge
Auf Grundlage der vorliegenden 2D- und 3D-Daten modellierte der Jungingenieur das Bauwerk in Allplan Bridge und schuf damit einen digitalen Zwilling, der nun künftigen Arbeiten an der Brücke zugutekommen kann. Dieser liefert nicht nur über intelligente Bauteile wichtige Informationen zu sämtlichen Bestandteilen. Gleichzeitig lassen sich auch aus diesem wieder sämtliche (2D-) Ansichten auslesen. Einer der größten Vorteile liegt darüber hinaus in der bahnbrechenden automatischen Ableitung des statischen Modells aus dem geometrischen Modell. Dank Allplan Bridge, welches das Erstellen digitaler Zwillinge ermöglicht, kann den Ingenieuren in Zukunft die Arbeit deutlich erleichtert werden.