Green Cities - Wie können Quartiere mit Hilfe digitaler Technologien nachhaltig gestaltet werden?

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Autor: Dr. Jan Mayer, fortiss GmbH

Beim Erreichen der Klimaneutralität unserer Städte bis 2045 kommt der Sanierung von Bestandsimmobilien eine zentrale Rolle zu. Durch die damit verbundenen hohen Investitionen werden für Eigentümer von Immobilien Konzepte attraktiv, die Synergien im Quartier nutzen und so bei geringeren Kosten einen besonders hohen Wirkungsgrad entfalten. Im Forschungsprojekt MEMAP wurde, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die sektoren- und gebäudeübergreifende Energieoptimierung untersucht.

In einem gewerblichen Bestandsquartier wurde dazu sowohl der Anlagenbestand in allen Heizungszentralen mithilfe Building Information Modeling (BIM) digitalisiert als auch die Verbrauchsdaten in den Heizzentralen aufgenommen. Eine quartiersbasierte Softwareumgebung aggregiert die Daten dann zur Live-Berechnung energieoptimierter Fahrpläne zur Übermittlung an die lokalen Energiezentralen im Betrieb.

Zusätzlich sollten die Daten auch in einem integrierten Planungswerkzeug verwendet werden, mit dem weitere Ausbaustufen und deren Einfluss auf den Primärenergiebedarf und die CO2-Emissionen des Quartiers simuliert werden können. Diese innovative BIM-Integration konnte dank des hohen Automatisierungsgrades von Planungsprozessen in der BIM-Plattform von Allplan mit den dort verfügbaren APIs im Projekt umgesetzt werden.

Eine besondere Herausforderung des Forschungsprojektes MEMAP war die Überführung von Daten eines Gebäude- und Anlagenbestands in eine gebäudeübergreifende Quartiersplanung. Kernziel im Projekt war dabei die durchgängig BIM-basierte Bestandsaufnahme der Daten und die anschließende automatisierte Überführung in das entwickelte Datenmodell zur Quartiersoptimierung im Planungswerkzeug der MEMAP-Softwareumgebung.

Benutzeroberfläche des MEMAP-Planungstool; © MEMAP-Projekt

Die Bestandsaufnahme des Testgebiets wurde dazu im Projekt mithilfe von Lasertechnik in einem Drohnenüberflug durchgeführt. Das dabei verwendete 3D-Scanning ist eine automatische Aufnahmemethode für die Digitalisierung von Gebäuden, Bestandsanlagen in der Gebäudetechnik oder auch Außenanlagen. Hierzu wird ein vom 3D-Scanner ein Lichtstrahl (Laserstrahl) ausgesendet. Befindet sich ein Gegenstand in einer entsprechenden Reichweite, wird der Lichtstrahl vom Gegenstand reflektiert und vom 3D-Scanner wiederaufgenommen und als einzelner Punkt in der Aufnahme gespeichert.

Mit BIM-Modellierwerkzeugen wie Allplan können aus Punktwolken dann effizient BIM-Modelle erzeugt werden. Ziel des MEMAP Projekts war nun die Integration der im BIM-Model verfügbaren Daten in die Multi-Energie-Planung auf der Basis derselben Optimierungsalgorithmen, die auch beim Betrieb der MEMAP-Plattform im Bestand angewandt wird. Hierzu mussten die im BIM-Modell verfügbaren Daten automatisiert ausgelesen und auf das Datenmodell des Optimierungsalgorithmus übersetzt werden. Aufgrund der komplexen BIM-Struktur des Quartiermodells erwies es sich als nicht trivial, ein geeignetes Filter- und Suchkonzept für den Datenimport zu entwickeln.

Dashboard aus dem Simulationsbetriebs eines 2-Häuser MEMAP-Verbunds; © MEMAP-Projekt

Nach mehreren gescheiterten Versuchen mit unterschiedlichen BIM-Viewern gelang der Durchbruch letztlich mithilfe der Bimplus-Plattform von Allplan. Diese konnte die IFC-Modelle fehlerfrei importieren, in der Cloud visualisieren und hatte eine gut dokumentierte API.

Die Durchgängigkeit von BIM zum MEMAP Planungsprozess konnte somit erfolgreich gezeigt werden. Über eine weitere Kooperation im Forschungsprojekt ist es darüber hinaus gelungen, die gemessenen Verbrauchsdaten in Echtzeit in das erfasste BIM-Modell zu integrieren und die Werte und deren Verlauf an den entsprechenden Messstellen anzuzeigen. Diese Datenübertragung wurde dabei über die OPC-UA-Schnittstelle und dieselbe Server-Client-Architektur realisiert, wie sie auch für die Kommunikation der MEMAP-Plattform im Quartiers-Betrieb verwendet wird.

Das Bimplus-Modell hat sich als sehr geeignet herausgestellt, um Verbrauchsdaten im BIM-Modell des Quartiers zu visualisieren. Der räumliche Kontext erhöht das Verständnis der Daten und hilft, die Ergebnisse korrekt zu interpretieren. So konnten im Projekt wichtige neue Erkenntnisse gewonnen werden. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass die Anlagentechnik von Bestandsgebäuden zu konservativ ausgelegt ist. Die Überdimensionierung von Wärmeerzeugungsanlagen ist generell deutlicher als angenommen und bietet großes Effizienzsteigerungspotenzial bei Vernetzung der einzelnen Wärmeversorgungen. Nahwärmenetze müssen bidirektional werden, Konsumenten von Energie werden so zu Prosumenten. Neuinstallationen im Bestand müssen dahingehend bereits heute zukunftsfähig gemacht werden, um die Klimaneutralität der Städte bis 2045 zu ermöglichen, und sie können im Gebäudeverbund eine deutlich wirtschaftlichere Wirkung entfalten als in einzelnen Gebäuden.

Über fortiss: Als Forschungs- und Transferinstitut ist die fortiss GmbH ein Innovations- und Servicepartner für anwendungsorientiertes Software- und System-Engineering. Gegenstand ist die Forschung auf dem Gebiet technischer und betrieblicher Systeme, in denen Software einen wesentlichen Anteil hat, u.a. stark verteilte und eingebettete softwareintensive Systeme, wie sie immer mehr in dezentralen Energiesysteme zu finden sind.


Weitere Informationen:

https://www.memap-projekt.de

https://www.fortiss.org/forschung/forschungsfelder/detail/architectures-and-services-for-critical-infrastructures